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  • Jürgen schreibt für Michel

Wintereinbruch im April

Der erneute Wintereinbruch mit Schnee und Temperaturen knapp über Null Grad, gepaart mit den Schwierigkeiten, die ich am Sonntag hatte, hat mich dazu bewogen, meine Route zu ändern.



Am Montagmorgen steckten mir, und Vaillant wahrscheinlich auch, die Strapazen vom Vortag zwar nicht mehr so in den Knochen, schließlich hatten wir unser Nachtlager zeitig aufgebaut. Jedoch begann ich zu überlegen, ob es das Richtige wäre, auf der geplanten Route über den Albsteig weiterzugehen. Die weitere Strecke über den Plettenberg und weiter Richtung Albstadt ließen wieder steile Anstiege und anspruchsvolle Wege erwarten. Dazu die widerlichen Wetterprognosen mit Schnee und Kälte. Ich wollte das Vaillant einfach nicht zumuten, er sollte erstmal Gelegenheit bekommen sich auf gemäßigteren Wegen einzulaufen.


Ich war gerade dabei, meine Sachen zu packen als ein orange-rotes Auto mit Bauhofmitarbeitern von der Gemeinde vorfuhr. Oh je, jetzt gibt's Ärger. Aber die beiden grüßten freundlich und riefen mir zu, das wäre kein Problem, ich sei nicht der Erste, der hier übernachtet. Soviel zum Thema "Wildcampen verboten" - man kommt nicht sofort in den Knast...


Vaillant und ich brachen auf. Vaillant hatte nur wenig gefressen am Morgen, was mich etwas verwunderte. Fehlte ihm was? War das Gras nicht gut genug? oder vielleicht zu kalt? - Tiefkühlkost ist ja nicht jedermanns Sache.

Nach nur wenigen Kilometern kamen wir an einen Bauernhof. Dort fragte ich nach etwas Heu, was ich auch anstandslos bekam. Vaillant fraß und war glücklich - und ich damit auch!


Wenig später traf ich auf einen Radfahrer, der mich in ein Gespräch verwickelte. Er unternahm schon oft längere Reisen mit dem Fahrrad, unter anderem war er auch schon in Afrika. Da hatten wir natürlich ein Gesprächsthema. Wir erzählten uns gegenseitig unsere Afrikageschichten. Das war sehr spannend und inspirierend und ich freue mich jetzt schon auf meiner weiteren Reise, genau solche Typen zu treffen. Es scheint ja so zu sein, dass

solche Individualisten, wie er und ich, sich gegenseitig erkennen und anziehen.

Der Mann gab mir anschließend den Tipp, durchs Schlichemtal runter an den Neckar zu wandern und am Fluss entlang weiterzugehen. Da unten sei es einfach milder und angenehmer. Recht hatte er, so wollte ich es machen!



Also weiter bis Schörzingen und dann links abbiegen auf den Schlichem- Wanderweg. Im Schlichemtal war es angenehm zu laufen, doch gab es auch hier Abschnitte, wo es enger und anspruchsvoller wurde. Vaillant blieb auf einmal einfach stehen. Er erkannte schon von sich aus: Da komm ich nicht durch! Der Weg war zu schmal an einer Felswand vorbei, als das er es mit den Taschen hätte schaffen können.

Also Taschen runter, die erste Tasche gute hundert Meter weit getragen, dann zurück, den Esel holen. Vaillant lief brav mit und bei der ersten Tasche habe ich ihn festgebunden, um erneut zurückzugehen und die zweite Tasche zu holen.

Beim Anbinden war ich wohl etwas schlampig, denn Vaillant riss sich los. Wer jetzt denkt, er war auf und davon, den muss ich leider enttäuschen, denn Vaillant kam schnurstracks hinter mir her. Der Kerl wollte einfach nur bei mir sein. Schmunzelnd und ein bisschen stolz auf mein Eselchen, brachte ich ihn zurück. Diesmal band ich ihn besser fest.


Auch heute wollte ich es mit der Strecke nicht übertreiben. So baute ich bei nächster Gelegenheit mein Nachtlager auf.



Wir ließen den Tag gechillt ausklingen und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach...


 

Am nächsten Tag ging es wieder durch die Klamm und wieder kamen wir an eine schwierige Stelle.



Der Weg ging direkt, sehr eng, an der Felswand vorbei und steil nach unten. Das war nicht machbar und das Verletzungsrisiko zu hoch. Die Alternative war durch den Bach zu gehen. Vaillant war angesichts meiner Gedanken nicht sehr begeistert. Nur so kann man seinen Gesichtsausdruck im Video interpretieren.

Jetzt kam mir jemand zur Hilfe, den ich zuvor schonmal getroffen hatte. Ein Mann war mir entgegen gekommen und hatte sich mit "Herr Rinderknecht" vorgestellt. Als ich ihm meinen Namen sagte, hatten wir viel Spaß beim Verballhornen unserer Namen.

Nun kam also der Herr Rinderknecht von seinem Spaziergang zurück und fand uns in unserer misslichen Lage. Herr Rinderknecht bestand darauf, uns behilflich zu sein. Deshalb drückte ich ihm Vaillants Führstrick in die Hand, was er als Aufforderung verstand, zu versuchen, Vaillant durch den Bach zu führen. Selbstverständlich war dieses Unterfangen völlig aussichtslos. Vaillant stand fest, wie angewurzelt.

Meine Intension war auch eine ganz andere. Ich wollte nur die Hände frei haben, um in meinem Rucksack nach einer Gelben Rübe (für Nichtschwaben: Karotte) zu kramen.

Ich hielt Vaillant die Rübe unter die Nase, und es funktionierte tatsächlich. Er ließ sich locken und durchquerte wagemutig den reißenden Bach, das komplette Gepäck auf dem Rücken. Was für ein Teufelskerl! Für ne Karotte tut er einfach alles.


Herr Rinderknecht

Langsam kamen wir aus der Klamm heraus. Das Tal wurde breiter und bald liefen wir über weite Wiesen und Felder.

Ich bemerkte einen roten Kleinwagen, der über einen holprigen Feldweg heranrauschte. Ein Mann und eine Frau stiegen aus und schauten in meine Richtung. Sie schienen, mich abzupassen.

Tatsächlich sprachen sie mich an, als ich bei Ihnen war. Es war eine rumänische Familie und im Fond des Wagens saß noch die 99- jährige (!) Oma. Sie erzählten mir, dass die Frau mich von der Straße aus gesehen habe. Sie war total begeistert ob des Anblicks von Vaillant und fuhr schnell nach Hause, um Mann und Oma abzuholen. Die Oma war ihr Leben lang, seit ihrem 15. Lebensjahr, Hirtin und hütete Schafe. Erst vor ein paar Jahren hat die Familie sie nach Deutschland geholt. Natürlich hatten sie auch Esel, die die Herde bewachten. Sie war ganz entzückt von Vaillant.



Wir unterhielten uns noch ein Weilchen. Während die Frau mit typischem osteuropäischem Akzent sprach, sprach der Mann in korrektem breiten schwäbisch. Das war sehr skurril und ließ mich innerlich schmunzeln.

Zum Abschied drückte mir die Frau eine Tüte in die Hand, mit den Worten: "Ich habe Sie vorhin doch rauchen gesehen!" In der Tüte befand sich selbst angebauter Tabak und fünfzehn Euro!



Ich bedankte mich und wir verabschiedeten uns sehr herzlich.


Gut gelaunt setzte ich meinen Weg fort, und da es heute am Nachmittag doch noch ein paar Sonnenstrahlen zu sehen gab, hatten wir auch Zeit zum Genießen.



Am Mittwoch und Donnerstag ging es weiter über Oberndorf bis nach Sulz.


Auch hier hatten wir wieder nette Begegnungen mit netten Menschen, z.B. dem Ostfriesen aus Aurich, der jetzt im Ländle wohnt, früher Pferde gezüchtet hat und es sich nicht nehmen ließ, extra im Haus noch einen Apfel für Vaillant zu holen.


Das miese Wetter mit dem kalten, schneidigen Wind trübten meine Laune jedoch, und da bei diesem Wetter die Leute lieber im Warmen sitzen als draußen zu sein, gibt es auch nicht viel weiter zu erzählen. Ich hoffe einfach, dass in den nächsten Tagen der Frühling endlich mal dauerhaft einzieht.


Ich werde jetzt voraussichtlich erstmal ein ganzes Stück am Neckar bleiben und erst später, vielleicht bei Bad Urach, wieder in den Albsteig einsteigen.

Wie es genau weitergeht erfahrt ihr natürlich als erstes...




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Der Esel nennt sich bekanntlich immer zuerst, deshalb fange ich einfach mal bei mir an:

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