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  • Jürgen schreibt für Michel

Wilde Frankenschweiz

Pottenstein. Gößweinstein. Wenn die Ortschaftsnamen auf "-stein" enden, wird der Frankenweg wilder, wurde ich gewarnt. Sie sollten recht behalten.



Ich musste absatteln, die Taschen mussten runter. Vor mir lag ein steil abfallender Weg, geschätzt so 20- 25 % Gefälle. Bis hierher war der Weg asphaltiert, zwar genauso steil, aber das ging noch. Jetzt ging der Weg in einen unbefestigten Pfad über. Ich ging mit der ersten Tasche etwa 150 Meter voraus. Vaillant, von seiner Last befreit, trottete direkt hinterher. Guter Esel, dachte ich, als ich die Tasche abstellte. Doch als ich kehrt machte, um die zweite Tasche zu holen, drehte auch Vaillant um und kam mit zurück. Nein, Vaillant, du sollst doch hier warten! Vaillant ist wie ein Hund, der einem auf Schritt und Tritt folgt.

Ich band Vaillant an, holte die zweite Tasche. Ich sattelte wieder auf, wir marschierten weiter und das nächste Teilstück war auch wieder machbar. Ich freute mich des Lebens, es war sehr schön hier und die Landschaft mit seinen steil abfallenden Hängen und Felsen beeindruckend.

Die Freude hielt nicht lange an, denn jetzt wurde es richtig heftig. Wieder gings steil bergab, der Weg mit Stufen und Seilen gesichert, fast schon einem Klettersteig gleich. Ich ließ Vaillant warten und erkundete erstmal den Weg.

Da vorne ging es scharf um eine Kurve rum, eng am Felsen, über Steine abwärts. Das war für Vaillant definitiv nicht mehr machbar! Auch ohne Taschen nicht.

 

Am Montag brachen Vaillant und ich nach einem ausgiebigen Frühstück bei Nicole auf zu neuen Taten. Wir waren wieder allein, Kerstin und Jürgen sind ja gestern heimgefahren um weiter in ihrem Hamsterrad zu laufen.

Mein Rad drehte sich auch wieder, nach der üblichen Morgenroutine mit Striegeln und Hufe ausputzen, ging es auf leichtem Weg weiter.

Wir wanderten auf dem Radweg zurück, den wir hergekommen waren und weiter bis Gräfenberg. Gräfenberg entpuppte sich als ein schönes Städtchen mit einer schönen Kirche. Hier geht auch der Jakobsweg entlang und die Kirche ist Wallfahrtsort.


Gräfenberg

Nach Gräfenberg wurde der Weg wieder attraktiver, ich war wieder auf dem richtigen Frankenweg, schöne Single- Trails, teils mit Brücken, aber immer gut zu laufen.

Da für den Nachmittag schon wieder Gewitter angesagt waren, kümmerte ich mich früh um einen Übernachtungsplatz. In einem Dorf namens Hammermühle durfte ich in einer Maschinenhalle schlafen.



Kein Luxus, aber Hauptsache ein Dach über dem Kopf. Ich spannte meine Hängematte auf, legte mich zum Probeliegen hinein und - raatsch, riss sie von vorne bis hinten einmal längs durch. Autsch, ich lag auf dem Boden. So ein Sch...! Meine schöne Hängematte, die ich doch so lieb gewonnen hatte. Ich schlafe wirklich gerne in der Matte, viel lieber als im Zelt.

Ich mache dem Hersteller gar keine Vorwürfe, ich glaub, ich hab sie einfach immer zu fest gespannt. Die Matte hatte eine Einschubtasche für eine Isomatte, genau da war sie gerissen. Also gleich das Internet angekurbelt und eine neue bestellt, diesmal ohne Isomatten- einschubtaschengedöhns...


Am nächsten Tag kamen wir auf unserem Weg nach Leienfels an einer Weide vorbei, auf der zwei Esel standen. Es waren zwei von dieser üblichen kleinen Sorte, die gegenüber Vaillant winzig und mickrig aussahen. Vaillant war das egal, er wollte hin. Ich wollte mich aber hier nicht aufhalten und hatte größte Mühe Vaillant zum Weiterlaufen zu bewegen und ihn davon abzuhalten, mit den Eselchen Kontakt aufzunehmen.

Ein paar Kilometer weiter machten wir Rast. Vaillant schien es mir bereits verziehen zu haben, dass er nicht zu den Eseln durfte. Ich ließ Vaillant grasen und legte mich in die Sonne.

Da kamen auf dem Weg die beiden Eselchen mit ihren Besitzern daher. Jetzt war es an den beiden, ihre Esel davon abzuhalten, zu Vaillant zu rennen. Der hatte inzwischen keinen Bock mehr und ließ sich beim Fressen nicht stören. Die anderen aber waren störrisch und bockig und zogen immer wieder zu Vaillant hin. Die beiden Besitzer waren schon sichtlich genervt...

Ich lachte und winkte ihnen zu, das Spiel kenne ich zur Genüge!



Insgesamt gesehen, geht es mit Vaillant immer besser. Mittlerweile muss ich ihn gar nicht mehr führen. Er sucht sich den Weg ganz allein durch den Wald...



Am Abend durfte ich auf einem Stückchen Wiese bei einem Holzstapel übernachten. Die nette Bäuerin hat uns dann noch versorgt - Vaillant mit Wasser, mich mit Bier!



 

Widerwillig machte ich kehrt und lief mit Vaillant leicht frustriert denselben Weg zurück, den wir gekommen waren. Es half ja nichts, es hatte keinen Zweck, der Weg wäre für Vaillant nicht machbar gewesen, wahrscheinlich hätte er sich alle Hufe gebrochen.

Ich checkte meine Wanderapp, wenigstens musste ich nicht ganz zurück und die steilen Abstiege, die wir schon bewältigt hatten, wieder hochlaufen.

Die Ausweichroute führte uns aus dem Wald hinaus und auf den Radweg. Der war zwar schön zu laufen, aber mittlerweile bretzelte die Sonne herab und brachte uns gehörig ins Schwitzen.


Teufelshöhle Pottenstein

Auf dem Radweg umliefen wir in einem großen Bogen Pottenstein. Die Pottensteiner haben wohl einen etwas schrägen Bezug zu Eseln. Ein Wanderer erklärte mir schmunzelnd, man würde die Pottensteiner, ihrer nachgesagten Sturheit wegen, Esel nennen. Das sei so eine Frotzelei in der Region. Auch gäbe es ein Haus mit dem Bild eines Esels drauf.

Ob das alles stimmt, weiß ich nicht, denn ich bin nicht nach Pottenstein reingelaufen, das war mir zu weit vom Weg weg und da ich nichts benötigte, gingen wir einfach auf dem Radweg weiter.


Ich bog wieder auf den Frankenweg ein, doch bereits ein kurzes Stück weiter wurde dieser als "alpine Strecke" ausgewiesen. Es gab eine Umgehung dieses alpinen Abschnittes, doch auch diese erwies sich als nicht machbar. Enge, steile Abschnitte mit Treppenstufen zwangen mich zur Umkehr. Wir mussten uns einen anderen Weg suchen.

Und selbst die Umgehung der Umgehung erwies sich noch als echte Herausforderung. Völlig erschöpft kamen wir oben an. Jetzt waren wir auf einer Hochebene und es wurde wieder einfacher zu laufen. So kamen wir noch gute sechs Kilometer voran, bis wir in Börsenbirkig bei einem netten Ehepaar im Heuschober übernachten durften.



Im Heu schlief es sich wunderbar, da ließ sich der Verlust der Hängematte doch etwas leichter verschmerzen.


Vaillant bekam seine Hufschuhe angezogen. Die Wanderapp versprach einen Asphaltweg, aber mit den gleichen Höhenmetern im Abstieg, die wir gestern hoch sind.

Unten im Tal ging es idyllisch an einem Bach entlang bis Gößweinstein. Dort versorgten wir uns mit dem Nötigsten.



Am selben Bach gings weiter. Immer noch idyllisch. Der Weg war sehr angenehm zu laufen, nach den Strapazen der letzten Tage eine wahre Wohltat, doch ehrlich gesagt auch ein bisschen langweilig. Ich hatte mich schon an das ständige Auf und Ab gewöhnt. Das Antreiben, Schieben und Drücken von Vaillant, fehlte irgendwie. Schon komisch, was!?


Unterwegs machte ich dieses Bild:



Wer das war, würde ich später noch erfahren, doch zuerst kehrte ich in einem Biergarten bei einem Freibad- Café ein. Vaillant sorgte hier wieder für Unterhaltung bei den anwesenden Gästen. Und ich freute mich auf ein schönes kühles Radler.



Den Typ im roten Shirt neben Vaillant lernte ich schon vorher auf dem Weg kennen. Er läuft jedes Jahr mehrere hundert Kilometer durch Deutschland für eine Charity- Aktion für krebskranke Kinder. Da geht es auch schon mal von Konstanz nach Köln oder ähnlich lange Strecken. Dabei sammelt er Geld für die Kinder. Tolle Sache und echt cool. Höchsten Respekt!


Nur 300 Meter weiter traf ich auf den Typ mit dem Schäferwagen. Das war Thomas. Thomas macht öfters mal eine Tour mit seinem Gespann. Zur Zeit ist seine Frau Luise auf Besuch mit dabei. Thomas' Traum wäre, mit dem Schäferwagen nach Holland und quer durch Frankreich Richtung Süden und dann am Mittelmeer entlang bis nach Italien zu fahren. Luise wäre damit auch einverstanden, doch nur unter einer Bedingung: an Weihnachten müsse er wieder zu Hause sein...



Gegen Abend erreichten wir den Campingplatz "Rothenbühl". Das war ein kleiner Campingplatz, der unkompliziert geführt wurde. Es gab nicht mal eine Rezeption. Der Besitzer war von Vaillant begeistert. Er erzählte mir, dass er sich als Kind ein Pony wünschte. Das Pony bekam er nicht, dafür aber einen Esel. Und dieser Esel lebte noch bis vor ein paar Jahren.

Ich bekam also eine etwas größere "Parzelle" zugewiesen, da hätten bestimmt vier Wohnmobile drauf Platz gehabt. Vaillant fand es ok, und das Gras schmeckte ihm auch.


Auf dem Campingplatz lernte ich die drei Freunde Maria, Erwin und Albert kennen. Mit denen hatte ich sofort ein gutes Verhältnis, irgendwie schwammen wir auf der gleichen Wellenlänge. Es wurde ein lustiger und kurzweiliger Abend, doch um halb elf mussten wir aufhören, da ein Nachbar sich beschwerte.


Maria, Erwin und Albert - Eine gute Zeit euch Dreien!

Außerdem gab es da noch Joe und Anna. Zwei junge Leute, die Spaß an Outdoorsport hatten und hier ihr Wochenende verbringen wollten. Joe war von Beruf Fotograf und schenkte mir als Andenken ein Polaroid, aufgenommen mit seiner Profikamera.



Am nächsten Morgen durfte ich mit Maria, Erwin und Albert noch frühstücken. Dazu deckten sich mich noch mit Vorräten an Geschnetzeltem und Sauerbraten in Dosen ein.


Es ging durchs Leinleitertal bis nach Heiligenstadt und weiter nach Burggrub. Etwas außerhalb von Heiligenstadt kam ich mit einer Frau ins Gespräch, die gerade ihre Pferde versorgte und pflegte.

Ich fragte sie nach einer Möglichkeit zum Übernachten, vielleicht hier bei den Pferden. Hier ginge das nicht, meinte sie, aber sie hätte ein Haus, das zwar vermietet wäre, aber da gäbe es eine Möglichkeit. Sie beschrieb mir den Weg, ich müsse nach Burggrub und dann noch ein Stückchen weiter. Nach Burggrub gäbe es zwei Möglichkeiten, eine auf dem Radweg, die andere auf einer kleinen Landstraße mit wenig Verkehr.

Ich wanderte also nach Burggrub und probierte es mit der Landstraße. Die Straße war sehr schmal und der Verkehr gar nicht so wenig, wie angekündigt. Jedes mal, wenn ein Auto kam, musste ich fast in den Straßengraben ausweichen. Das gefiel mir nicht, also machte ich kehrt und marschierte zurück nach Burggrub.


Dort traf ich auf Fritz, kam mit ihm ins Gespräch und er bot mir an bei sich zu übernachten. Das war für mich auch ok. Ich blieb hier und ließ das Angebot der Pferdefrau sausen.


Hier war es toll, ein lauschiges Plätzchen. Und am Abend kam auch noch mein Kumpel Rudi mit seiner Familie zu Besuch.


Fritz
Ein bisschen Glück muss man auch haben!

Am Samstagmorgen wurde ein Mann auf uns aufmerksam. Er sprach uns an und es entwickelte sich ein längeres lustiges Gespräch. Der Mann war Frank Arnold und war - der Ehemann der Pferdefrau von gestern.

Als er mitbekam, dass es uns hier bei Fritz zwar sehr gut gefalle und wir hier auch bleiben dürften, aber der Platz für Rudis Wohnmobil doch etwas beengt war, bot er uns an, zu ihm zu kommen. Und zwar nicht an das Haus, das mir seine Frau gestern noch angeboten hatte, sondern nach Heiligenstadt, wo er eine Ferienwohnanlage betrieb, die auch ein ausreichend großes Außengelände hatte, um Esel und Womo und uns gleichermaßen unterzubringen.


Wir staunten nicht schlecht, nahmen das Angebot aber dankend an. So siedelten wir also um nach Heiligenstadt, wieder ein paar Kilometer auf dem Weg zurück, den ich gestern gekommen war.

Die Ferienwohnanlage war einfach super. Wenn ihr mal in der Gegend Urlaub machen wollt und eine Unterkunft braucht, schaut unbedingt bei Frank nach. Das kann ich nur empfehlen.



Einmal Hafer 95, voll machen bitte!
Unser Camp am Lagerfeuerplatz

Es wurde ein supertolles Wochenende, mit vielen neuen Bekanntschaften, viel Spaß, Lagerfeuer und allem was man sich so wünscht.

Frank organisierte sogar noch einen Musiker, der uns am Lagerfeuer mit seiner Gitarre und Gesang unterhielt.


Neben all dem Feiern fanden wir aber auch noch Zeit für andere Dinge.


Franks Mutter wohnt in einem Pflegeheim in der Nähe. Die Frau sitzt im Rollstuhl und ist blind. Sie hat sich Vaillant ertastet. Ein sehr berührendes Erlebnis.



Vaillants Packtaschen mussten nochmal ein bisschen bearbeitet werden. Die haben bereits stark gelitten und einzelne Haken sind auch schon abgegangen, die ich nur provisorisch wieder befestigt habe.

Ich habe deshalb Rudi gebeten, Werkzeug und ein paar Aluwinkel mitzubringen, um die Taschen an den Ecken etwas zu verstärken. Rudis Söhne haben mir dabei geholfen.



Vaillant hat Probleme mit den Ohren. Die Fliegen sitzen da rein und die Ohren sind schon ganz entzündet. Wir schafften es, ihm die Ohren sauber zu machen - er lässt sich schon gar nicht mehr gerne anfassen - und zogen ihm Feinstrumpfhosen von Rudis Frau über die Ohren. Das hielt genau eine Stunde. Ein weiterer Versuch klappte besser. Vaillant läuft jetzt rum wie Till Eulenspiegel.



Das ist ein echtes Problem. Ich habe Ohrenschützer bestellt, aber auf dem Bild sieht man schon, dass die über Vaillants riesige Ohren nicht passen werden. Ich denke, da muss Kerstin mit der Nähmaschine nochmal ran. Ich werde weiter berichten.


Vielen Dank, Frank, dass du uns aufgenommen hast und uns so einen tollen Platz und so ein tolles Wochenende beschert hast. Das werde ich nie vergessen. Ich hoffe, wir laufen uns mal wieder über den Weg. Bis dahin wünsche ich dir eine gute Zeit!















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