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  • Jürgen schreibt für Michel

Abenteuerluft

Übers lange Wochenende gemeinsam mit Jürgen, Kerstin und anderen Besuchern unterwegs.



Hier schreibt Jürgen:


Vaillant steht. Wie angewurzelt. Nichts hilft, kein gutes Zureden, kein Leckerli. Nein, über diese Brücke geh ich nicht, scheint er zu sagen.

"Na komm, jetzt komm schon!", Michel versuchte sein Bestes. Vaillant hob den linken Huf und stellte ihn auf der ersten Planke ab. Jaa! - aber nein, im nächsten Moment zog er ihn wieder zurück.

Die Taschen hatten wir abgemacht und über die Brücke getragen, auf beiden Seiten stauten sich bereits die anderen Wanderer und warteten ungeduldig.



Puh, Michel wirkte verzweifelt, "Jürgen, geh mal mit dem Frieder vorne draus!". Ich drängte mich an Vaillant vorbei und ging mit Frieder über die Brücke. Und, siehe da, anfangs zögerlich, dann immer schneller, setzte Vaillant einen Huf vor den anderen und lief polternd über die Brücke.

Ob es daran lag, dass Vaillant Frieder gerne in den Hintern treten würde oder ob er sich Frieder einfach als Vorbild nahm, erschließt sich mir bis heute nicht. Da müsste man mal einen Eselpsychologen fragen. Ich kann da nicht weiterhelfen, ich bin nur Hunde-psychologe!


An der nächsten Brücke ging es zuerst steil über Stufen runter und die Brücke selber bog am Eingang rechts im 90°- Winkel ab. Unmöglich, war unser beider Prognose.

Trotzdem probierten wir es. Ich trug die erste Tasche vorneweg, Michel die nächste hinterher. Noch bevor Michel das Ende der Brücke erreichte, kam Vaillant schon genüsslich hinterher getrottet, als ob Brücken überhaupt noch nie ein Thema gewesen wären... So ein verfl.... Esel! So kann man sich täuschen, aber besser so, wie andersrum!

 

Unsere Wanderung begann am Morgen mit breiten und gut begehbaren Wegen. Bald wurden diese jedoch zunehmend schmaler. Immer tiefer ging es in den Wald.

Der Wald hier war ein richtiger Mischwald, auf kleiner Fläche konnten viele Baumarten gezählt werden, nicht so wie bei uns, wo der Wald meist von Fichten und Buchen dominiert wird.


Der Weg war weiterhin gut ausgeschildert. Eigentlich brauchten wir keine Karte, lediglich ab und an, zum Abgleich, wurde die App bedient.



So kamen wir zu einem Segelflugplatz, der lt. der vorgegebenen Route umrundet werden sollte. Es war aber auch ein Weg geradeaus in der Karte eingezeichnet, der, wie sich herausstellte, eine kleine asphaltierte Straße war.

Wir entschieden uns für die Abkürzung. Hätten wir das nicht getan, könnte ich von der folgenden Szene nicht berichten. Ob das nun ein Gewinn oder Verlust gewesen wäre, kann ich nicht sagen. Entscheidet selber.


Am Straßenrand neben der Straße arbeitete ein Bauer. Mit einem Freischneider mähte er die Böschung. Der Freischneider kreischte laut und wollte so gar nicht in die idyllische Umgebung passen. Aber was soll's? Schließlich musste der Mann ja arbeiten, also kein Problem!

Ich ging so ca. 10 Meter voraus, grüßte den Mann freundlich. Keine Reaktion. Wahrscheinlich hatte er es einfach nicht gehört bei dem Lärm, dachte ich mir.


Als Vaillant auf der Höhe des Mannes war, gab dieser nochmal richtig Gas und ging einen Schritt nach vorne. Ob das Absicht war, weiß ich nicht. Falls ja, hat es sein Ziel auf jeden Fall nicht verfehlt. Vaillant wieherte und stieg, machte zwei, drei große Sätze nach vorne. Michel am Führstrick im Flugmodus hinterher, mit brennenden Händen, da der Strick durchrutschte.


"Du bist ein Arschloch!",

entfuhr es Michel. Keine Reaktion des Mannes. "Du rücksichtsloses Arschloch, du hast kein Mitgefühl!", wiederholte Michel ein paarmal laut schreiend. Immer noch keine Reaktion. War der taub? Trotz des Lärms müsste er das eigentlich gehört haben.


Ein paar Meter weiter stand der Traktor des Mannes. Da steckte doch sicher der Schlüssel, dachten wir. Vielleicht könnten wir ihm einen Streich spielen.

Wir näherten uns dem Traktor. Auf einmal wurde der Mann aufmerksam. Er warf die Sense weg und rannte herbei. "Weg da! Schlaichts aich!", rief er in diesem unnachahmlichem bayerisch- oberfränkisch- pfälzischen Dialekt.


Michel wiederholte seine Anschuldigungen, zugegebenermaßen auch in einem etwas unfreundlichen Ton. Jetzt setzte der Bauer seinerseits zu einer ausgeprägten Schimpftirade an: "Ihr Deppen, schlaichts aich! Dös is mei Grundstück! Solche Idioten, wie ihr, kommed hier jöden Dag vorbei, schlaichts aich! I koan doch nit mei Arbeit unterbrechen, wegen solchen Deppen, wie ihr's seid!" usw. usw...


Meine Verärgerung wandelte sich langsam in Belustigung. Irgendwie fand ich seine Tiraden amüsant. Ich bewegte Michel zum Weiterlaufen und breit grinsend verließen wir die Szenerie. Der Typ fuchtelte noch immer mit den Armen.

Solche Menschen tun mir leid. Diese Typen sind in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit eingeschränkt und können es nicht akzeptieren, dass es auch andere Lebensentwürfe als den eigenen gibt.

Seine Unfähigkeit über den Tellerrand hinauszuschauen ließ meinen Ärger abschwellen, weil das hatte nichts mit uns zu tun, sondern der Mann hatte selber ein Problem, das er aber noch gar nicht erkannt hat.

Vielleicht war er aber auch einfach nur ein bisschen "hoglbuachan"!?


Wir ließen uns nicht beirren und uns die Laune nicht verderben. Die Wiesen und Felder zogen an uns vorbei und kurze Zeit später fanden wir uns wieder von Waldgrün umhüllt.




Wir hatten die Wege für uns allein. Nur selten kamen uns vereinzelte Wanderer entgegen. Das änderte sich schlagartig, als wir uns der Lillachquelle näherten.

Schon von weitem entdeckten wir die dazugehörige Schutzhütte. Das wäre auch ein super Übernachtungsplätzchen gewesen, doch mit dem Auto nicht erreichbar. Diese Hütte war in der Karte nicht verzeichnet, die "Bushaltestelle" von gestern aber schon. Verkehrte Welt.


In der Hütte saß eine Gruppe Wanderer zusammen. Vaillant nahm ganz unvoreingenommen Kontakt mit den Leuten auf. Er machte das so charmant, dass ihm keiner böse sein konnte. Das Hallo seitens der Wanderer war jedenfalls groß.



Die Lillach schlängelt sich nach der Quelle durch den Wald und da sie sehr kalkhaltig ist, bilden sich Sinterterrassen an den Gefällestufen aus. Das ist sehr nett anzuschauen, lockt aber auch viele Ausflügler ins Tal.

Wanderer aller Couleur waren zu sehen, Familien, Singles, Paare, grölende Gruppen und zwei junge Frauen, komplett geschminkt, ausgehbereit, eine Parfümduftwolke hinter sich herziehend. Jeder so, wie er mag. Auch wir zogen wahrscheinlich eine Duftwolke hinter uns her, allerdings in einer anderen Geschmacksrichtung...



Die Wege waren hier schön hergerichtet und gesichert, mit Treppen und Brücken. Was ich sonst immer ganz gerne hab - ich liebe solche Wege - ist mit einem Esel wie Vaillant eine große Herausforderung. Vaillant passt gerade so zwischen die Brückengeländer, allerdings nur ohne Packtaschen. Das heißt Taschen runter, über die Brücke tragen und dann Vaillant drüber führen. Wie das aussehen kann, habt ihr ja eingangs gelesen.


Endlich hatten wir die Brücken hinter uns gebracht und es ging gemütlich dem Talausgang entgegen.

Der Wald lichtete sich und wir kamen an den Ortsrand von Weißenohe. Hier lag das Gasthaus zum Lillachtal und - der Biergarten hatte geöffnet! Juhuu!


Vaillant wurde abgesattelt und auf die kleine Wiese neben dem Biergarten verfrachtet. Wir durften uns setzen und bekamen ein herrlich frisches Bier.

Vaillant war DIE Attraktion! ALLE beobachteten den Esel beim Grasen. Und Vaillant ließ es sich auch nicht nehmen, persönlich bei den Gästen vorbeizuschauen.




Dafür kommen wir jetzt auch auf der Facebook- Seite des Gasthauses: https://www.facebook.com/Gasthaus-zum-Lillachtal-166189923433349/


So langsam waren wir schon wieder auf Platzsuche für die Nacht und den nächsten Tag, denn da sollte Vaillant einen Tag Erholung bekommen.

Wir fragten schon mal bei den Bedienungen und der Chefin des Lokals, leider ohne Erfolg. Wir wurden nur weiter verwiesen, probierts da mal, probierts dort mal.

Wir entschieden uns vom vorgegebenen Frankenweg ein bisschen abzuweichen und in die Mitte von Weißenohe zu laufen. Dort versprachen wir uns mehr Erfolg.


Weißenohe besteht aus einem ehemaligen Kloster und einer Klosterbrauerei. Das wars.

Wir marschierten unterhalb des Klosters vorbei, als wir einen Mann in einem etwas verwilderten Garten entdeckten.

Michel meinte, da könnten wir es mal versuchen. Dann könnte Vaillant in dem Garten sein und wir könnten uns auf den Wanderparkplätzen direkt gegenüber einrichten. Im Großen und Ganzen könnte das schon gut passen, jedoch war ich bei dem Mann etwas skeptisch, waren doch im Garten unübersehbar Schilder mit dem Hinweis Videoüberwachung angebracht. Sowas erzeugt bei mir immer schon so einen inneren Widerstand.


Michel sprach den Mann trotzdem an, und nach dem er endlich verstanden hatte, was wir genau wollten, war das kein Problem. Vaillant konnte hier bleiben. Der Mann überließ uns sogar die Schlüssel vom Tor, so dass wir rein und raus konnten, wie wir wollten. Die Videoüberwachung existierte gar nicht, die Schilder dienten nur zur Abschreckung, da in letzter Zeit öfters mal Müll über den Zaun geworfen wurde. Das ist dann auch verständlich.


Wir blieben. Abends kam dann auch Kerstin von ihrem Rostock- Abstecher zurück. Wir holten mein Auto her und bauten uns auf dem Parkplatz auf.

Am Samstag dann nur Socken waschen, auf- und umräumen und chillen. Michel hat einige Sachen aussortiert, um Vaillant das Leben noch ein bisschen zu erleichtern, im wahrsten Sinne des Wortes. Darunter die Kameradrohne und die große schwere Spiegelreflexkamera mit Stativ und Wechselobjektiven.



Das fiel ihm etwas schwer, doch wir hatten das am Vortag schon während der Wanderung diskutiert und waren beide der Meinung, dass man darauf verzichten könne, wenn im Gegenzug eine kleine Spiegelreflex á la Sony Alpha dazukäme. Dies wäre jetzt dann also die nächste größere Anschaffung.



Nach dem Einkaufen nochmal chillen und später gingen wir ins selbe Gasthaus zum Abendessen, wo wir gestern schon Bier getrunken hatten. Und weil die Leute von ihm so begeistert waren, nahmen wir Vaillant auch mit.


Gerade als uns die Bedienung die Teller mit unseren Steaks auf den Tisch stellte, krachte es und schlagartig prasselte der Regen auf unseren Sonnenschirm. Mein Frieder zitterte wie Espenlaub. Er hat panische Angst bei Gewitter und am liebsten hätte er sich in irgendeinem Erdloch verkrochen. Nur mit Mühe konnte ich ihn am Tisch behalten. Mitschy, Kerstins Hund, hat eigentlich keine große Angst, aber aus Solidarität zitterte sie mit.

Vaillant ist so ein Gewitter piepschnurzegal. Er stellt sich unter einen Baum und stoisch wartet er das Gewitter ab. Nur das Fressen wird während dieser Zeit eingestellt.


Wir haben das Gewitter überlebt. Alle. Inklusive Frieder!

Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass am Abend noch Ulli mit seiner Frau zu einem Kurzbesuch kam. Ulli hat vor Jahren Michels altes Wohnmobil gekauft. Er wohnt hier um die Ecke und nutzte die Gelegenheit für ein Wiedersehen.

Ulli gab uns einen Tipp für die nächste Übernachtungsmöglichkeit. Bekannte von ihm, nur etwa vier Kilometer entfernt.


Dieser Tipp war Gold wert. Für den Sonntag waren den ganzen Tag Gewitter angesagt und wenn Kerstin und ich dann weg sein würden, hätte Michel kein Dach mehr über dem Kopf gehabt. Und zum Zelten war dieser Platz ungeeignet.


So machten wir uns am Sonntag morgen also auf, um dieses kurze Stück zu überwinden. Entgegen der Vorhersagen war noch alles trocken. und die paar Kilometer auf asphaltiertem Radweg waren wirklich kein Problem.



Kennt ihr das, wenn man irgendwo hinkommt und man hat sofort so ein vertrautes Gefühl? So war es bei Nicole und Norbert. Wir wurden sehr herzlich empfangen und fühlten uns alle sofort wohl.

Die beiden wohnten mit ihren Jungs am Rand einer kleinen Ortschaft und hatten einen riesigen Garten mit Bauwagen. Vaillant wähnte sich hier im Paradies.

Der Garten war verwildert, aber nicht verwahrlost. An einigen Stellen wurde das Gras einfach stehen gelassen, so hatten die Bienchen auch was davon. Für mein Befinden sah das supertoll aus.



Norbert brachte uns nochmal zurück nach Weißenohe, um die Autos abzuholen. Diese setzten wir um, tranken noch einen Kaffee und vesperten ein letztes mal zusammen.

Dann mussten Kerstin und ich leider die Heimreise antreten. Pünktlich zur Abfahrt begann es zu schütten und hörte auch bis Wurmlingen nicht mehr auf.


Herzlichen Dank, Michel, für ein tolles langes Wochenende, bei dem ich mal ein bisschen der Abenteuerluft schnuppern durfte, die du jeden Tag atmen darfst. So ein Vagabundenleben wäre auch was für mich. Ich hoffe, du lädst mich dann in den Sommerferien nochmal ein, um noch eine Dosis abzubekommen. Aber nur, wenn du dann schon in den Karpaten bist, wo ich schon immer mal hin wollte! Viel Glück und viel Spaß derweil noch beim Herumtreiben!







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