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  • Jürgen schreibt für Michel

Slowakei

Nach dem unspektakulären Grenzübertritt ging es in der Slowakei anfänglich eher schleppend weiter. Die Menschen waren distanziert, Sprachbarrieren hoch. Wie sich der bedrückende Beginn in eine fast schon unheimliche Hysterie wandelte, lest ihr in diesem und im nächsten Bericht.


Dieser und die folgenden Berichte wurden nachträglich geschrieben und fanden noch vor der Winterpause statt.



Morgens, halb sieben. Lautes, heftiges Bellen beendet meine Nachtruhe schlagartig. Hektisch schälte ich mich aus meinem Schlafsack und öffnete das Zelt. Ich sah einen großen freilaufenden Hund, der sich mit Vaillant angelegt hat. Vaillant war angebunden, konnte sich nicht frei bewegen und der Hund sprang wild um ihn herum.

Oben auf dem Damm rief eine Frau verzweifelt nach ihrem Hund. Der ignorierte das Rufen aber geflissentlich und ließ sich nicht davon abbringen, Vaillant zu attackieren. Vaillant brachte sich strategisch in Position und als der Hund direkt hinter Vaillant war - Zack! - trat er aus und traf den Hund voll in die Breitseite. Jetzt trat der Hund den Rückzug an und wimmernd lief er schnell zurück zu Frauchen. Er schien nicht arg verletzt zu sein, rennen konnte er jedenfalls noch gut. Tja, dachte ich mir, was legst dich auch mit Vaillant an.


Das war nicht das erste Mal, dass ich Probleme mit freilaufenden Hunden hatte. Normalerweise lasse ich Vaillant immer frei laufen, solange ich mit dem Frühstück und Packen beschäftigt bin. So auch gestern, nur dass gerade dann viele Leute mit ihren Hunden vorbeikamen. Die Wiese auf der Vaillant stand war wohl die örtliche Hundetoilette. Natürlich waren alle Hunde nicht angeleint. Und sie hielten es offenbar für "en vogue", Vaillant anzubellen und zu stellen.

Vaillant macht das mittlerweile gar nichts mehr aus. Im Gegenteil. Im Bewusstsein seiner Stärke macht er sich einen Spaß daraus, die Hunde zu jagen, die dann meist mit eingezogenem Schwanz das Weite suchen.

Für mich aber war das Frühstück deshalb weniger entspannt, da ich immer wieder Vaillant einfangen musste.


Vorgestern habe ich die Grenze zur Slowakei übertreten. Der erste Tag war sehr angenehm zu laufen, es ging gemächlich bergab. Das erste slowakische Dorf kam näher und war ich war sehr neugierig auf die Menschen. Etwas ernüchtert stellte ich dann fest, dass die Leute sehr zurückhaltend waren. So ähnlich war es anfangs in der Tschechei auch.

Wenn die Leute nicht mit dir sprechen, kommt man sich einfach fremd und ausgegrenzt vor, wie ein Störfaktor, der nicht in ihre heile Welt passt.

Bei einer Tankstelle kam ich dann doch noch mit einem Mann ins Gespräch. Er war fasziniert von meiner Geschichte und spendierte mir gleich noch zwei Bier und ein Geflügelsandwich.

Mit dem leichten Völlegefühl im Magen und durch die Unterhaltung (und das Bier) beschwingt, setzte ich meinen Weg fort.

Ich übernachtete neben einem Sportplatz. Sportplätze haben sich als immer günstige Übernachtungsmöglichkeiten erwiesen. Meist gibt es einen Parkplatz, der außerhalb der Spiel- und Trainingszeiten in der Regel ruhig ist. In der Regel liegen Sportplätze auch am Ortsrand, wo es angrenzend Wiesen für Vaillant gibt und wo ich niemanden störe.


Gestern ging es dann an einem Kanal weiter. Der Kanal wurde zur Stromgewinnung genutzt, ich bin an mehreren Kraftwerken vorbeigekommen. Angesichts der doch beachtlichen Breite des Kanals, könnte ich mir schon vorstellen, dass die Energiegewinnung beträchtlich ist.

Ich lief also den ganzen Tag oben auf dem Damm, was dann doch eher langeilig ist und die sechzehn Kilometer Tagespensum zogen sich wie Gummi.

Ich fand einen netten Übernachtungsplatz in einer Senke, wo es windstill war und es für Vaillant genügend zu Fressen gab.

Die Nacht war angenehm bis eben dieser wütende Hund mich aus dem Schlaf riss.


Immer am Kanal entlang

Da ich nun eh schon wach war, machte ich Frühstück und packte anschließend zusammen. Es wurde wieder ein Tag auf dem Damm entlang des Kanals. Langsam hatte ich genug davon und war froh gegen Nachmittag in einer Stadt namens Piestany angekommen zu sein.

Dort musste ich an einer Promenade entlang und angesichts des schönen Wetters und da heute Sonntag war, war diese brechend voll.



Vaillant und ich waren wie immer die Attraktion, die Leute schauten und zeigten auf uns, kicherten und zogen schmunzelnd vorbei. Angesprochen hat mich aber niemand.


Mein Tagesziel war der Campingplatz "Pullmann". Dort angekommen hatte ich schon Sorge abgewiesen zu werden, der Platz war sehr schön angelegt und ich kam mir mit Vaillant etwas fehl am Platze vor.

Doch die junge Besitzerin war sehr nett und zeigte sich erfreut über unser Kommen. Sie hatte auf dem Platz immer wieder Inseln gelassen, die sie der Natur überließ, wo die Gräser und Sträucher wild wucherten.

In der Nähe einer solchen Insel ließen wir uns nieder und sie hatte nichts dagegen, dass Vaillant die Hagebuttensträucher etwas "zurückschnitt".


Unsere Gastgeberin

Neben dem Camping gab es auch ein Restaurant. Auf dem Weg dorthin wurde ich von einem Mann auf Deutsch angesprochen. Er lud mich auch gleich zum Essen ein und erzählte seine Lebensgeschichte.

Seine hübsche Frau, nicht mal halb so alt wie er, kam aus Kuba und arbeitete bei der kubanischen Botschaft.

Er selbst war jahrelang in Deutschland als Bauarbeiter beschäftigt. Mit dem dort verdienten Geld fing er an, in der Slowakei Häuser zu bauen und wieder zu verkaufen. Das Konzept ging auf und inzwischen ist er ein erfolgreicher Bauunternehmer. Da ihm selbst die slowakischen Bauarbeiter zu teuer sind, heuert er Arbeiter in der Ukraine an. Wieviel von seinen Gewinnen wohl das Finanzamt zu sehen bekommt? Das steht in den Sternen...


 

Ich hatte gut geschlafen und war gerade gut gelaunt am Frühstücken, als ein Wagen herfuhr. Damit hatte ich in dieser abgelegenen Ecke nicht gerechnet und ich dachte schon es könnte der Jäger oder Förster sein und ich würde Ärger bekommen. Es war aber nur Justus.

Justus war einer der beiden Mountainbiker, die ich gestern Abend hier getroffen hatte. Sie hatten Vaillant auf der Wiese entdeckt und waren auf einen Plausch vorbeigekommen.

Nach dem Campingplatz hatte ich keine Lust mehr nur entlang des Kanals zu laufen. Deshalb änderte ich meine Route und bewegte mich wieder mehr in die Hügel hinein. Nach anfänglichen Schwierigkeiten - eine lange Treppe mit Stufen wollte bewältigt werden - erwies sich die neue Route als Volltreffer.



Schöne Wanderwege in einer grandiosen Landschaft machten die Wanderung wieder zu einem Erlebnis. Zu dieser Jahreszeit waren kaum noch andere Wanderer unterwegs und ich genoss die himmlische Ruhe. Es war bereits der zweite Morgen in dieser tollen Gegend.



Justus brachte mir ein großes Fresspaket vorbei. Außerdem lud er mich zu sich nach Hause ein. Justus war wohl doch ein bisschen wohlhabender, denn er erzählte mir von einer "Cottage", die er extra für seine Gäste eingerichtet hatte und einer "parkähnlichen Anlage", in der diese stand.

Die Einladung hat mich sehr gefreut, doch es war nur drei Kilometer entfernt und lag nicht in meiner Richtung. Hätte er das doch nur gestern Abend erzählt.

Das Fresspaket dagegen nahm ich sehr gerne an. Zum Abschied gab er mir noch seine Visitenkarten. Ja richtig - Karten! Denn er hat mehrere Unternehmen und Gesellschaften. Justus meinte, ich könne ihn jederzeit anrufen und er würde mir in allen Situationen in der Slowakei helfen können und wollen. Na, so ein Angebot kann ja auf keinen Fall schaden und wir verabschiedeten uns herzlich.


Justus' Fresspaket

Noch am selben Morgen erhielt ich ein weiteres sehr interessantes Angebot. Über Instagram meldete sich ein Freizeitpark mit Tieren und hießen mich herzlich willkommen.

Der Park war ca. 15 Kilometer entfernt, genau in meiner Richtung. Das passte gut.

Auf dem Weg dorthin erwartete uns aber noch ein Hindernis in Form einer Brücke. Die Brücke, kurz vor der Ortschaft Hlohovec gelegen, war eigentlich nur ein Steg. Genauer gesagt waren da einfach zwei Balken über den Bach gelegt, die mit Europaletten abgedeckt waren.

Irgendwie sah das nicht sehr vertrauenserweckend aus. Da ich einen Umweg scheute, wollte ich es aber zumindest probieren.

Ich ging zuerst auf den Steg, ging bis zur Mitte und wackelte ein bisschen. Ich ging in die Knie und wieder hoch um die Standfestigkeit zu testen. Die Brücke hielt. Bewegte sich überhaupt nicht.

Voller Zuversicht führte ich also Vaillant auf die Brücke. Ich ging voraus, doch ich kam noch nicht mal bis zur Hälfte, da hörte ich es hinter mir auch schon krachen. Ich befürchtete, Vaillant wäre mitten im Bach gelandet, doch als ich mich umdrehte, sah ich, dass Vaillant geistesgegenwärtig einen Satz zurück gemacht und sich am Ufer in Sicherheit gebracht hatte.

Zwei Bretter waren durchgebrochen. Vaillant war aber nicht verletzt, hatte nicht mal eine Schramme. Puh - Glück gehabt! Das war gerade noch einmal gut gegangen. Ein weiterer Versuch erledigte sich damit natürlich selbstredend.


So musste ich also doch den Umweg laufen. Und siehe da - es waren kaum zweihundert Meter...

In Hlohovec ging ich noch einkaufen. Ich band wie üblich meinen Esel vor dem Supermarkt an. Aus dem Markt zurück hatte sich - wie üblich - eine Menschentraube um Vaillant gebildet. Dieser stand - wie üblich - im Mittelpunkt und genoss die Aufmerksamkeit.

Doch dieses Mal wurde ich auch gleich noch von einer Studentin, die gut Deutsch sprach, zum Kaffee eingeladen. Sie war in Begleitung ihres Vaters und gemeinsam gingen wir das kurze Stück zu ihrem Haus. Aus der Einladung zum Kaffee wurde eine Einladung zum Mittagessen und Vaillant wurde mit Heu, Äpfeln und Karotten verwöhnt.



Die junge Studentin und ihre Freundin begleiteten uns noch ein Stück und zeigten uns den Weg zum "Madonan Freizeitpark".


Dort wurde ich bereits erwartet und herzlichst willkommen geheißen. Vaillant wurde ein Stück Wiese bei meinem Zelt zugewiesen. Mein eigenes Zelt musste ich gar nicht aufbauen, denn es gab fest installierte "Tipis" für die Gäste. Da waren sogar Doppelbetten mit Matratze drin und vor jedem Zelt war eine kleine Terrasse. Wie nennt man das wenn Glamour auf Camping trifft? - Ja genau, Clamping!



Es waren noch zwei weitere, untereinander befreundete, Familien als Gäste anwesend und ich wurde direkt in deren Kreis aufgenommen. Es wurde ein geselliger und lustiger Abend.



Einer der Männer, hauptberuflich Krankenwagenfahrer, war Hobbykoch und lud mich überschwänglich zum Grillen am nächsten Abend ein.

Bei diesen Aussichten brauchte es nicht viel Überredungskunst noch eine weitere Nacht zu bleiben!


 

Mühsam rollte ich von der Matratze, ächzend versuchte ich aufzustehen und mich in eine vertikale Position zu bringen. Mein Rücken tat weh. Die Matratze war viel zu dünn und der Lattenrost hatte zu große Lücken. Auf meiner Isomatte schlafe ich besser. Verdammtes Clamping!


Nach dem Frühstück wurde ich von Domenika, der Chefin, gleich eingespannt zum Kühe und Ziegen melken. Nach einer kurzen Einweisung durfte ich die Ziegen alleine melken. Eine ganz neue Erfahrung für mich, eine Arbeit, die ich noch nie gemacht habe.

Nachdem wir mit dem Melken fertig waren, durften die Tiere wieder auf die Weide. Die Milch wurde für das Käse machen vorbereitet. Bei der Milch vom Vortag wurde der Rahm abgeschöpft und die Milch pasteurisiert.

Dann mussten auch noch all die anderen Tiere versorgt werden. Nach dem Mittagessen wurde der abgeschöpfte Rahm zu Butter geschlagen und in Form gepresst.

Die Milch für den Käse wurde erhitzt und wieder auf eine bestimmte Temperatur heruntergekühlt. Dann wurde das Lab hinzugegeben. Nach einer Ruhezeit wurde die dann schon eingedickte Milch in Stücke geschnitten und musste ein weiteres Mal ruhen. Sie wurde in noch kleinere Stücke geschnitten und das ganze hat man dann in ein Tuch gegeben und gepresst. Im Tuch wurde der Käse aufgehängt, damit er noch vollständig abtropfen konnte. Am nächsten Tag war der Käse dann fertig.



Durch die ständig wechselnden und neuen Tätigkeiten war der Tag sehr kurzweilig und verging wie im Flug.

Ich habe großen Respekt vor Domenika und ihrem Mann Maros. Sie haben dieses Projekt mit dieser Besucherform erst vor zwei Jahren aufgebaut. Jetzt zu dieser Jahreszeit stemmen sie alles ganz alleine. Im Sommer, wenn viele Besucher da sind, haben sie natürlich auch Leute, die ihnen helfen.

Sie haben auch noch zwei kleine Kinder, die auch versorgt und bespaßt werden wollen.


Am Abend gab es das versprochene Grillen und was soll ich sagen - der Hobbykoch hat seinem Namen alle Ehre gemacht. Es schmeckte wirklich sehr lecker. Und natürlich artete das Grillen wieder in ein rauschendes Fest aus.

Müde und erschöpft fiel ich ins Bett - dieses mal aber mit meiner eigenen Isomatte!








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