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  • Jürgen schreibt für Michel

Auf in den Frühling

Nach dem kalten Start letzte Woche und zwei Tagen Pause bei Kerstin ging es nun frohgemut mit neuer Energie weiter. Und das Wetter enttäuschte nicht. Bei angenehmen Frühlingstemperaturen und sonnigem Himmel stieg meine Laune merklich an.



Die Pause bei Kerstin hat gut getan. Nicht nur zum Energie auftanken. Ich konnte auch einige Sachen erledigen und ein paar Dinge einkaufen, die ich noch brauchte.

So habe ich mein ganzes Packsystem neu organisiert, so dass jetzt die schweren Sachen wirklich unten drin in den Packtaschen liegen und somit für einen niedrigeren Schwerpunkt und eine bessere Balance sorgen.

Einige Dinge, wie z.B. mein großes, aber halt auch schweres, Teleobjektiv wurden ganz aussortiert. Es wird bestimmt Momente geben, bei denen ich das Objektiv vermissen werde, aber ich glaube, im großen und ganzen kann ich darauf verzichten.


Meine verschlissene Jacke habe ich nach einem Anruf bei Mammut eingeschickt. Die freundliche Frau am Telefon sagte mir, dass es grundsätzlich zwei Jahre Garantie auf alle Mammut- Produkte gäbe und dass ich daher gute Karten hätte, die Jacke vollständig ersetzt zu bekommen. Das hört sich doch schon mal gut an. Ich werde weiter berichten, wie das ausgeht.


Für Vaillant gab es eine neue Satteldecke, die etwas länger ist als die alte und daher den Bereich, wo die Sattelstützen aufliegen, besser abdeckt.

Während der ersten Woche habe ich festgestellt, dass sich Vaillants Hufe doch schneller ablaufen wie gedacht. Ich habe deshalb jetzt doch Hufschuhe bestellt.

Mein Hufschmied hat ja vor der Reise noch prognostiziert, dass sich die Hufe schneller erneuern, umso schneller sie abgenutzt werden, jedoch glaube ich jetzt, dass die Hufschuhe nicht schaden können, auch wenn wir sie vielleicht nur sporadisch brauchen.

Ich habe deshalb die Schuhe bestellt und zu meinem Bruder, der in der Nähe von Nürtingen wohnt, liefern lassen, bei dem ich Ende der Woche einkehren werde.


Zu guter Letzt habe ich noch Vaillants Packsattel etwas angepasst. Man merkt jetzt schon, dass er etwas abgenommen hat und dafür muskulöser geworden ist. Ich musste deshalb die seitlichen Holme etwas nach innen bringen, damit der Sattel nicht so wackelt.

Mit all diesen Maßnahmen hoffe ich nun, auf kommenden steileren und anspruchsvolleren Teilstücken besser gewappnet zu sein.



So ging es also zwar erst am Mittwoch, dafür aber voller Tatendrang weiter. Auch Vaillant schien gute Laune zu haben. Er lief richtig stramm los, kein Vergleich zu der Rumtrödelei vergangener Woche. Meine Optimierungen schienen was gebracht zu haben.


Durch den Naturpark Schönbuch sollte es weiter Richtung Nürtingen gehen, wo ich noch einmal einen Stopp bei meinem Bruder eingeplant hatte.


Im Naturpark traf ich auf Martin, ein Forstwirt, der aber nicht wie die anderen mit einem geländegängigen Fahrzeug unterwegs war, sondern mit dem Fahrrad. Mit Martin hatte ich ein schönes längeres Gespräch und er hat ein tolles Foto von mir und Vaillant gemacht, das er mir später per Mail zugesandt hat:



Mit Vaillant lief es richtig gut und wir konzentrierten uns dieser Tage darauf, unseren Reiserhythmus zu finden. Ich kam langsam dahinter, wie lange ich mit Vaillant am Stück laufen konnte, bis er eine Pause brauchte, und wie lange und wie oft diese Pausen sein sollten. Morgens ließ ich es immer langsam angehen, nach gemütlichem Frühstück und morgendlicher Körperpflege, für mich und für den Esel, gings los. Dann wieder Unterbrechungen zum Einkaufen oder Brötchen holen etc. Dann lief wir ein längeres Stück, bevor wir dann so gegen halb drei, drei eine längere Mittagspause einlegten. Diese Pause genoss Vaillant immer sichtlich, er flackte sofort auf den Boden, blieb eine Weile liegen oder frönte seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Fressen.

Danach war aber auch noch nicht gleich Schluss, sondern wir marschierten dann nochmal vier bis fünf Kilometer, bevor wir uns ein Plätzchen für ein Nachtlager suchten.


Die Stimmung war also super und mehr und mehr fing ich an, dieses Gefühl zu genießen, nicht mehr von den Zwängen der Arbeitswelt gesteuert zu werden. Mein Tagesablauf richtet sich nicht mehr nach Arbeitsbeginn und -ende, nicht mehr nach "das muss aber noch fertig werden", nicht mehr nach früh ins Bett gehen, weil morgen wieder ein harter Tag auf einen wartet. Jetzt wird mein Tagesablauf nur noch durch meine Bedürfnisse und vor allem die meines Esels bestimmt.

Bei solchen Reisen von anderen Aussteigern wird ja gerne mal das Bild vom Hamsterrad und von dem Ausbrechen aus eben diesem bemüht. Ich hatte eigentlich nie das Gefühl aus dem Hamsterrad ausbrechen zu müssen, ich habe immer gern gearbeitet und meine Motivation diese Reise zu machen, war immer eine andere. Jedoch passt in diesem Moment das Bild sehr gut - ich bin raus!




Als erstes Fazit aus diesen Tagen, lässt sich auf jeden Fall sagen: mein geplanter Tagesschnitt von 20- 25 Kilometern lässt sich nicht erreichen. Bis jetzt haben wir vielleicht mal zehn, mal fünfzehn Kilometer geschafft. Wenn wir in diesem Tempo weiter machen, kommen wir nie nach China! Zumindest nicht in den drei Jahren, da müsste ich noch ein paar Jahre dran hängen. Aber das ist auch nicht so wichtig, wir werden soweit kommen, wie wir kommen. Hauptsache ist, Vaillant geht es dabei gut.


Am Freitagabend wollte ich mich dann wieder mit Kerstin treffen. Ich war gerade in einer Ortschaft namens Schlaitdorf. Ich fragte ein paar Passantinnen, ob es hier irgendwo ein Plätzchen zum Übernachten gäbe. Freundlich beschrieben sie mir den Weg zu einer Hütte, die ich dann auch in meiner Wander- App fand. Ich lotste Kerstin per Handy dorthin und machte mich selber auf den Weg.

Unterwegs sah ich eine kleine Party in einem Garten mit vielen Kindern. Die Kinder johlten und freuten sich beim Anblick Vaillants.

Ich grüßte und ging ohne anzuhalten weiter, da stürmte plötzlich ein Mann mit einem Mädchen an der Hand aus dem Garten und rannte mir hinterher.


"Halt, warten Sie!",

rief er. "Ich kenne Sie. Sie sind der mit dem Esel läuft, oder so ähnlich."

Er erzählte mir, dass seine Freundin beim Ministerium für den ländlichen Raum arbeite und meine Geschichte dort schon herum ginge. Wahnsinn, welche Kreise das zieht.

Weiter erzählte er, dass seine Freundin jetzt seine Frau wäre und zwar genau - seit heute!

Die beiden feierten also im Garten ihre Hochzeit, natürlich Corona konform in kleinem Kreise und draußen.

Er lud mich ein, mitzufeiern, ich könne ja auch bei ihm im Garten zelten. Tief berührt, ob dieser Geschichte, lehnte ich aber trotzdem freundlich ab, schließlich wartete ja Kerstin schon bei der Hütte.

Soll noch einer sagen, die Schwaben wären kein gastfreundliches Volk!


Kerstin wartete tatsächlich schon an der Hütte. Wir verbrachten die Nacht hier an diesem wirklich schönen Fleckchen Erde.

Am Samstag gönnten wir Vaillant einen etwas leichteren Wandertag. Soll heißen, wir ließen das Gepäck in Kerstins Wohnmobil und machten uns ohne Gepäck auf den Weg. Wir würden ja an diesem Tag bei meinem Bruder eintreffen. Mein Sohn Alex wollte auch noch dazu kommen. So konnte ich später mit Alex das Wohnmobil und das Gepäck nachholen.


Es war ein traumhaft schöner Wandertag in einer sehr schönen Kulisse.



Am Nachmittag kamen wir bei meinem Bruder an. Vaillant konnten wir in der Nachbarschaft bei einer netten Dame unterbringen.



Die bestellten Hufschuhe waren auch schon da. Jedoch passten sie leider nicht, sie waren zu groß. Nach Rücksprache mit dem Hersteller, meinte dieser, wir sollen die Hufe auf Karton aufzeichnen, dann würde er die Schuhe nach Maß anfertigen.



Mal schauen, ob das dann alles so passt.


Ich werde noch den Sonntag hier bleiben und ab Montag geht's dann weiter. Die nächste Etappe geht dann nach Owen/ Teck und dann hoch auf die Burg Teck. Dort geht der Albsteig vorbei, so dass wir dann wieder auf unserer eigentlich geplanter Route wären.



Zum Schluss noch ein Schmankerl. Während ich unterwegs beim Aldi einkaufen war, hat der berühmte schwäbische Comedian Dodokay ("Die Welt auf schwäbisch", www.dodokay.com) Vaillant auf dem Parkplatz entdeckt und fotografiert. Hier sein Instagram- Thread, den er daraufhin veröffentlichte:




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