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  • Jürgen schreibt für Michel

Freizeitstress

Diese Woche war geprägt von vielen Besuchern, die mich zum Teil auch auf meinen Etappen begleiteten. Das war sehr schön und das Wort "Freizeitstress" ist eigentlich zu negativ konnotiert, um hier verwendet zu werden. Denn es gibt ja auch positiven Stress...


Ich habe mich jedenfalls sehr über jeden einzelnen Besuch gefreut. Ich genieße es, diese Begleitung jetzt noch zu haben, das wird später dann automatisch weniger werden.



Am Montag ging es bei meinem Bruder Albert los. Albert würde uns auf dieser Etappe begleiten. Ich traute es mir und Vaillant immer noch nicht zu, über die Alb mit ihren steilen An- und Abstiegen zu wandern. Die geplante Strecke über die Teck und weiter nach Wiesensteig und Drackenstein bis Geislingen an der Steige war doch recht wild. Man kennt diese Gegend ja vom Albaufstieg auf der A8.


Also ließ ich ein weiteres Mal das Weichei raushängen und änderte die Route erneut. Es sollte weiter am Neckar entlang gehen, Richtung Wendlingen, Ebersbach/ Fils und Lorch und dann durch das Remstal, und weiter Richtung Schwäbisch Gmünd und Aalen. Auf der Ostalb wird es nicht so schlimm sein und ich werde auf dem "Limesweg" bleiben und über Nördlingen direkt nach Gunzenhausen wandern, wo dann der Frankenweg/ E3 kreuzt. Der Albsteig ist damit passé.

Mal sehen, wie ich mit dieser Einstellung über das Karakorum komme...


Es lief gut, Vaillant hatte Lust zu laufen, und mein Bruder und ich verbreiteten gute Laune. So kamen wir also locker und flockig bis Wernau am Neckar.

Wir beobachteten Arbeiter auf dem Feld und kurze Zeit später, kamen wir an einem netten kleinen Hofladen vorbei. Wir waren schon vorbei und es ging weiter über eine Brücke, wo wir eine kleine Pause einlegten. Da kam die Frau vom Hofladen hinterhergerannt. Sie schwenkte eine Tüte in der Hand mit Karotten für Vaillant. Und da waren nicht nur zwei oder drei Karotten drin. Nein, die ganze Tüte war voll, das waren bestimmt zwei Kilo oder mehr!




Das war eine herzliche Begegnung und natürlich entspann sich auch wieder das übliche Gespräch mit Wohin? und Wie lange? und Warum? und überhaupt... Ich möchte jetzt aber auch nicht den Eindruck erwecken, das mich das nervt. Im Gegenteil, ich mag diese Gespräche wirklich, sie sind die Würze meiner Reise. Deshalb mache ich das ja, um Land und Leute kennenzulernen.


Ich telefonierte mit meinem alten Kumpel Albi. Albi wohnt in Dettingen/ Teck, also an meiner ursprünglich geplanten Route. Ich rief ihn an, um ihm zu sagen, dass ich jetzt nicht vorbeikommen könne, da ich meine Route ja geändert habe. "Nein, so geht das nicht!", war seine Reaktion, "dann komm ich dich besuchen!"

"Brauchst du was, soll ich was mitbringen?" - "Nein! Nur Bier!"

Ich suchte ein Plätzchen zum Übernachten, verabschiedete mich von Albert, er wurde von seiner Frau Edith abgeholt. Wir wollten am Mittwoch nochmal eine Etappe zusammen laufen, und zwar auch mit seiner Frau Edith und unserem anderen Bruder Ullrich und dessen Frau Stefanie.


Kurz darauf kam Albi mit dem versprochenen Bier. Es wurde ein netter Abend, wir schwelgten in Erinnerungen und die Zeit verflog. Als Albi ging, schnarchte Vaillant schon längst.



Den Dienstag begannen Vaillant und ich alleine. Ich packte unser Zeug zusammen und wir machten uns, nach der schon zur Gewohnheit gewordenen Morgenroutine, auf den Weg.

Es ging gleich einen Berg rauf und Vaillant wollte da überhaupt nicht hoch. Es hat mich einiges an Überredungskunst gekostet, ihn immer wieder anzutreiben. Zur Belohnung kamen wir an diesem schönen Haus vorbei:


Sieht aus wie ein Hundertwasser- Haus. Ob es das wirklich war, weiß ich nicht. Vaillant schien jedenfalls, ob der herrlichen Fassade mit Wandmalereien, wenig beeindruckt und hielt sich lieber an seine Lieblingsbeschäftigung. Hmm, ist das Gras hier lecker und frisch...

Das Haus wurde von einem Künstlerehepaar bewohnt, mit einem Töpferatelier. Leider war aber niemand zu sehen.


Wir gingen weiter und machten noch ein bisschen Strecke. Am Nachmittag wollte ich mich mit meinem anderen Bruder, Ullrich, treffen. Ullrich hat uns schon von der Straße aus entdeckt, gerade als wir eine kleine Pause einlegten. Das passte gut, denn er und seine Frau Stefanie hatten Kaffee und Kuchen dabei. Also wurde die Pause spontan etwas ausgedehnt.


Übrigens hat sich Mammut wegen meiner Jacke gemeldet. Sie haben die Jacke mit folgendem Schrieb zurückgeschickt:



Ein Plagiat! Echt jetzt! So was peinliches, da habe ich mich ja ganz schön blamiert. Das wusste ich natürlich nicht. Ich nehme alles zurück, was ich negatives über Mammut gesagt oder gedacht haben sollte. Ein Plagiat, tsss! Vielleicht sollte man halt solche Sachen nicht bei Ebay- Kleinanzeigen kaufen... oder wenn doch, dann bitte nicht beschweren, wenn es dann Käse ist...

Wie sagt man so schön, wer billig kauft, kauft zweimal. Danke für die Lektion.


Ich ließ mir aber von dieser Geschichte die gute Laune nicht verderben. Zusammen mit Ulli und Stefanie gings noch ein gutes Stück weiter, bis wir uns auf einer Streuobstwiese, in der Nähe eines Wanderparkplatzes, für die Nacht niederlassen wollten.

Wir trafen hier auf einen Förster in Begleitung eines Mannes. Der Mann hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Obstbäume auf der weitläufigen Wiese zu pflegen und zu schneiden. Er machte dies freiwillig und ohne Bezahlung, da die Besitzerin der Wiese sich nicht darum kümmerte und er die Bäume nicht verwahrlosen lassen wollte. Respekt, sag ich da nur.

Auch der Förster war uns wohlgesonnen und hatte überhaupt nichts dagegen, wenn wir hier übernachteten. Ein Mensch, der sich mit seinem Esel auf so eine Wanderung aufmacht, der nimmt seinen Müll auch wieder mit, meinte er. Richtig, das würden wir machen!


Die beiden gingen, wir richteten uns ein und eine Weile später kam es zum ersten Mal zu einer Begegnung der eher unfreundlichen Art.

Wir saßen alle drei beim Zelt, Vaillant graste ein Stück entfernt. Da kam ein Wagen auf den Parkplatz vorgefahren, aus dem ein mürrisch dreinblickendes Paar ausstieg. Die Frau ging zu Vaillant hin und betrachtete ihn verwundert. Irgendwie sah das alles recht merkwürdig aus und ich ging mal lieber hin, um Vaillant im Zweifel beistehen zu können.

"Ist das Ihr Esel?", schallte es mir entgegen. Ich bejahte. Ob ich von hier sei? Nein. Was das solle? Und wo ich herkäme? Ich erzählte ihr kurz meine Geschichte. "Wie geht das denn, wir haben doch Corona!", polterte sie los. Außerdem gäbe es doch eine Ausgangssperre und Reisen sei sowieso verboten.

Ich erklärte ihr, dass die Ausgangssperre nur nachts gelte, wenn ich im Zelt liege - allein! Ja, wenn das so ist, dann kaufe sie sich jetzt auch einen Esel, war ihre bornierte Antwort. Ja, mach halt, dachte ich mir nur, drehte mich um und ließ die beiden stehen.


Die beiden trollten sich und keine Viertelstunde später rollte ein weiteres Auto auf den Parkplatz. Die Polizei!


"Jetzt hat doch diese daube Schelle die Bullen angerufen!"

rief ich verärgert. Die beiden Polizisten stiegen aus und kamen auf uns zu. Wir rechneten schon mal aus, was uns dieser Verstoß gegen die Corona- Verordnung kosten könnte.

Die Beamten grüßten freundlich und fragten uns, ob wir einen älteren Herrn mit beiger Hose und blauem Hemd gesehen hätten. Er sei dement und aus dem nahegelegenen Pflegeheim abgängig.

Aufatmen! Ich glaube, der Seufzer von uns dreien, war deutlich vernehmbar. Stefanie hatte den besagten Mann sogar gesehen und konnte den Beamten noch dienliche Hinweise geben. Die bedankten sich und zogen ab. Jetzt war sogar noch der Hubschrauber am Himmel zu hören.

Wir prusteten los und hielten uns die Bäuche vor Lachen. Was für ne Story! Das gibt's doch nicht. Und ich entschuldige mich in aller Form bei der Frau, die zwar sehr unangenehm war, uns aber doch nicht denunziert hatte.



Da diese Woche so viel passiert ist, werde ich das Ganze auf zwei Berichte aufteilen. Freut euch also zeitnah auf einen weiteren Bericht...




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