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  • Jürgen schreibt für Michel

Urlaub auf dem Bio- Hof

Regen und Sturm haben mich zu einer Pause gezwungen. Und weil es so schön war, bin ich gleich länger geblieben...



Aber von vorne. Die Zeit auf dem Eselhof bei Vaillants Angebeteten Paula ging zu Ende. Mein Kumpel Rudi verabschiedete sich und ich beschloss, da Vaillant ja den ganzen Tag Zeter und Mordio schrie, weil er nicht mehr zur Paula durfte, bei ihm im Unterstand in der Hängematte zu nächtigen. Damit war er wenigstens nicht ganz alleine und in meiner Gesellschaft beruhigte er sich auch einigermaßen.

Am nächsten Morgen war er allerdings immer noch sauer, vielleicht war er auch nur von der vielen Schreierei erschöpft. Jedenfalls kam er nicht in die Gänge, bockte und stiebte und wir kamen einfach nicht richtig vorwärts.

Der Weg führte uns nach und durch Schwäbisch Gmünd. Es ging hier wieder steil bergauf und bergab und Vaillant hatte richtig Probleme Halt zu finden. Einmal rutschte er richtig durch und ich musste abladen und das Gepäck ein Stück weit selber tragen. Oben angekommen erhielt Vaillant aber seine Belohnung in Form von zwei Mädchen, die ihn richtig durchknuddelten:



Weiter gings auf besserem Untergrund, der Weg wurde jetzt aber schmal und führte an ein paar Häusern vorbei. Weil die Anwohner es nicht für nötig hielten , ihre Hecken und Büsche zurückzuschneiden, war der Weg für Vaillant mitsamt den Packtaschen einfach zu schmal. Er blieb öfters hängen und schließlich verkeilte er sich so, dass es weder vorwärts noch rückwärts weiterging.

Ich ärgerte mich über die "Nicht- Hecken- Stutzer", schon früher, noch bei meiner Arbeit als Straßenbauer, war das immer ein Hinder- und Ärgernis.

Es half nichts. Mühsam versuchte ich Vaillant zu befreien, die Taschen mussten runter und ich führte Vaillant ohne Taschen ca. 300 m weiter und gefühlte 100 Höhenmeter bergab.

Jetzt musste ich natürlich noch zweimal zurück, um die Taschen zu holen. Was für ne Schlepperei, puh! Mein Respekt gegenüber Vaillant stieg jedes mal bei so einer Aktion, was der täglich leistete, war schon bemerkenswert.


Wir kamen am Gmünder Freibad vorbei, das dem Held unserer Kindheit, Bud Spencer, gewidmet ist. Schöne Idee, war Bud doch vor seiner Schauspielkarriere Leistungsschwimmer in der italienischen Nationalmannschaft. Und Bud war sogar bei der Einweihung persönlich anwesend:

Quelle: Rems- Zeitung

Kurz darauf umliefen wir ein großes Werk von Bosch. In der Nähe des Parkplatzes dieses Werks ließen wir uns für eine Pause nieder.

Nach einiger Zeit kam eine Frau vom Werksschutz und erklärte mir, dass sie die Polizei gerufen hätten, da ein freilaufender Esel gemeldet wurde.

Vaillant graste auf der Wiese und ich saß auf einer Bank etwas unterhalb, so dass die meldende Person wahrscheinlich nur den Esel, aber nicht mich gesehen hatte.

Schulterzuckend nahm ich ihre Ankündigung entgegen und harrte gelassen der Dinge, die da kommen sollten.

Tatsächlich tauchte Minuten später ein Streifenwagen auf. Die beiden Polizisten erzählten mir die gleiche Geschichte und dass sich das ja wohl offensichtlich erledigt hätte.

Da sie jedoch einen Bericht anfertigen mussten, nahmen sie nicht nur meine, sondern auch Vaillants Personalien auf!

Ich entschuldigte mich bei ihnen, da ich ihnen jetzt ja unnötige Arbeit beschert hatte. "Nein, nein, kein Problem. Ist doch mal was anderes, wie immer nur der Corona- Scheiß!", war ihre Antwort und sie zogen ab.


Ich konnte Vaillant noch motivieren ein kurzes Stück weiter zu gehen. Unser Weg führte uns in einen kleinen Weiler namens Burgholz.

Dort traf ich vor einem Hof auf Franz, einem Bio- Bauern. Ich sprach ihn wegen einer Übernachtungsmöglichkeit an und er bot mir spontan an, auf der Wiese hinterm Haus mein Zelt aufschlagen zu können. Franz war mir sofort sympathisch und ich richtete mich an diesem wirklich schönen Plätzchen bei einer Kapelle ein.



Am nächsten Tag war Regen und Sturm angesagt. Kerstin hatte sich gemeldet und mir berichtet, dass die geänderten Hufschuhe für Vaillant eingetroffen waren.

Angesichts des schlechten Wetters war an ein Weiterlaufen sowieso nicht zu denken. Ich bat deshalb meine neuen Gastgeber ein Auge auf Vaillant zu haben und wollte mit dem Bus und Zug nach Herrenberg zu Kerstin fahren, um die Hufschuhe abzuholen.

Franz und seine Mitarbeiter, Johann und Albert versprachen mir, gut auf Vaillant aufzupassen. Ich setzte mich in den Bus nach Gmünd, von dort mit der Bahn nach Stuttgart, Umsteigen und weiter nach Herrenberg. Das letzte Stück ging wieder mit dem Bus.

Erstaunlich problemlos kam ich bei Kerstin an, nahm die Hufschuhe in Empfang und in umgekehrter Reihenfolge wieder zurück.

Am späten Nachmittag war ich dann auch schon wieder zurück bei meinem Eselchen.


Die nächsten Tage wollte ich die neuen Hufschuhe auch mal ausprobieren. Doch Vaillant gefiel das Vorhaben überhaupt nicht und er wehrte sich standhaft gegen das Anlegen der Schuhe. Er stemmte seine Hufe mit aller Kraft gegen den Boden, so dass ich sie überhaupt nicht anheben konnte. "Vaillant, stell dich nicht so an!", rief ich schon leicht genervt. Ich nahm seinen Huf und versuchte ihn mit Kraft hochzuheben und - Zack! schlug er mir seinen Huf mit voller Wucht ins Gesicht, so dass ich fast nach hinten überfiel. Voll an die linke Backe, der Sack!

Ja, lacht nur! Aber ich muss euch enttäuschen, es blieb kein blauer Fleck übrig. Leider habe ich von der Aktion auch kein Bild oder Video.

Ich konnte Vaillant doch noch "überreden", die Schuhe anzuziehen. Voilà, sie passten perfekt! Wir werden das noch ein paar mal üben müssen, aber ich denke, das wird schon und Vaillant wird es damit auch besser gehen.


Angesichts der (Schlecht-) Wetterprognosen für die nächsten Tage, fragte ich Franz, ob ich noch länger bleiben dürfte. Er war damit nicht nur einverstanden, sondern freute sich sichtlich. Das bringe mal ein bisschen Abwechslung auf den Hof.

Ich versprach ihm im Gegenzug auch ein bisschen bei der Arbeit mitzuhelfen. Doch zuerst kriegte ich nochmal Besuch von einem alten Freund und Kumpel. Armin Schuhmacher kam mit seinem Traktor und Schäferwagen und blieb für eine Nacht.


Links Johann, dann ich, Franz und Armin

Armin ist mit diesem Gefährt von Spaichingen bis hierher in einem Rutsch durchgefahren, max. 40 km/h, so ca. 6 1/2 Stunden gebraucht! Respekt, alter Haudegen! So sind sie halt, die alten Baulöwen!

Es wurde ein sehr schöner, geselliger Abend mit allen zusammen. Nette, lustige Gespräche und viel Gelächter. Ein bisschen Alkohol ist auch geflossen, aber nur ein bisschen...



Ein richtiger Männerabend eben.


Am nächsten Tag verabschiedete sich Armin und tuckerte wieder nach Hause. Ich wollte mein Versprechen einlösen und half ein bisschen mit. Nach all der Lauferei war mir auch danach, mich mal wieder anders körperlich zu betätigen.

Wir entrindeten lange Baumstämme, die als Pfeiler für eine rustikale Terrassenüberdachung dienen sollten. Das war ganz nach meinem Geschmack. Und schon verfiel ich wieder in meine alte "Schaff- Mentalität". Hier gings zu langsam, das war nicht richtig, lasst mich mal ran, das muss so und das so! Erstaunlicherweise ließen sich "meine Mitarbeiter" voll und ganz auf meine Ansagen ein und waren überhaupt nicht beleidigt. Und am Schluss sah alles gut aus und wir waren stolz auf unser Werk.



Die Tage auf dem Biohof vergingen wie im Flug. Ich hatte alle sehr lieb gewonnen. Franz, Albert, aber vor allen Dingen Johann.

Johann ist Rumäne und kommt bereits seit 30 Jahren jeden Sommer auf den Hof zum Helfen. Ich kenne kaum einen Menschen, der so nett und zuvorkommend ist, wie Johann. Johann war immer für ein paar nette Worte gut, hatte immer eine helfende Hand und nicht zuletzt: Johann bekochte und bewirtete mich jeden Tag, vom Frühstück angefangen, übers Mittagessen bis hin zum Abendessen. Mir ging es hier wirklich gut und es fehlte mir an nichts. Ich werde diese Tage nie vergessen und mich immer gern dran zurückerinnern. Sehr gerne werde ich diesen Kontakt pflegen und ich bin mir sicher, dass ich eines Tages wieder kommen werde, um mich zu revanchieren.


Auch Vaillant ging es gut. Die Töchter des Hauses kümmerten sich sehr liebevoll um ihn.



Ein paar neue Freunde gab's auch. Ob die ihn wohl von Paula ablenkten?



So war es für mich auch selbstverständlich, Johann zu helfen, als er mich am Freitag fragte, ob ich nicht mit ihm zusammen einen Anhänger abholen könne.

Johann hatte den Hänger im Internet gekauft. Er stand in Karlsruhe, von wo wir ihn jetzt holen wollten. Der Hänger hatte keinen Tüv, deshalb sind wir mit einem Autoanhänger gefahren, auf den wir den neuen Hänger laden wollten.

Johann stellte am Navi die kürzeste Route ein, nicht die schnellste. Weil Johann immer die kürzeste Route einstellte.

Das hatte zur Folge, dass wir am Freitag Nachmittag durch die Stuttgarter Innenstadt gelotst wurden. Wer einmal Freitag mittags in Stuttgart war, weiß was das bedeutet. Wir standen mehr, als das wir fuhren...

Aber mit Johann an meiner Seite wurde auch dieser Ausflug zu einer vergnüglichen Angelegenheit.


Am Samstag war das Wetter wieder besser und es wurde Zeit mich zu verabschieden. Schließlich wollte ich keinen Urlaub auf dem Bio- Hof machen, sondern hatte ja ein Ziel. Das würde ich mit dem Müßiggang der letzten Tage nie erreichen. Also auf ging's. Die Pferde, ähh den Esel gesattelt und Abmarsch.

Der Abschied fiel schwer und war, wie zu erwarten, sehr herzlich.



Für den Samstag gibt es nicht viel zu erzählen, der Weg und die Landschaft unspektakulär. In einer Bäckerei holte ich einen Fleischkäswecken und da gab's für Vaillant noch ein paar Karotten oben drauf.

Unterwegs traf ich auf ein paar Jugendliche, die sich über meine Geschichte sehr freuten und mir ein Bier schenkten.

Und was soll ich sagen, ein paar Kilometer weiter die nächsten Jugendlichen. Und wieder beschenkten sie mich mit Bier.

Manchmal sind die jungen Leute gar nicht so schlimm, wie man immer hört und sagt.


Für die Nacht checkte ich in einem Unterstand für Landmaschinen ein. Ich spannte meine Hängematte auf und schlief darin. Das wird mir langsam die liebere Variante als immer das Zelt aufzuschlagen.

Ich bemerkte, dass ich mein Handtuch auf dem Biohof vergessen hatte. Ich rief Johann an und wir verabredeten uns auf den nächsten Tag. Da wollten sie mir das Handtuch bringen.



Vaillant trug übrigens hier schon den ganzen Tag seine Schuhe. Ich hab ja gesagt, das kriegen wir hin. Jetzt heißt es, beobachten, ob seine Hufe mit den Schuhen besser werden.


Vaillants neue Schuhe

Der Sonntag begrüßte uns mit strahlendem Sonnenschein und sehr angenehmen Temperaturen. Muttertag.

So ein herrlicher Tag ist für Muttertag gerade gut genug. Bitte, liebe Mütter auf der ganzen Welt, haben wir extra für euch gemacht...


Der Nachteil an so einem Tag, es sind tausend Leute unterwegs. Zehntausend! So voll war's noch nie. Immer wieder musste ich mit Vaillant ausweichen, Radfahrer und andere vorbeilassen. Immer wieder wurde ich angesprochen und ich erzählte meine Geschichte an diesem Tag wahrscheinlich hundert mal. Das war ganz schön anstrengend.


Gegen Abend bogen wir in einer Ortschaft in eine Querstraße ein, da beobachteten wir eine schöne alte BMW Isetta, die gerade vor einem Haus einparkte.



Ich kam mit den Leuten ins Gespräch. Sie waren Sohn und Schwiegertochter von Otto, der in dem schönen Haus wohnte.

Otto bot mir von sich aus einen Übernachtungsplatz in seinem alten Stall an. Er hat früher Pferde und Miniponys gezüchtet, hat dieses Hobby aber vor einigen Jahren aufgegeben.

Er erzählte mir seine Geschichte. Otto kommt aus Ungarn, ist in jungen Jahren nach Deutschland gekommen und hat Zimmermann gelernt.

Danach hat er Milch- und Molkereiprodukte verkauft, mit einem mobilen Verkaufsstand, obwohl er anfangs gar keinen Führerschein hatte. Später verkaufte er Autos in einem Autohaus, wo eines Tages ein Kunde seinen bestellten Pritschenwagen stornieren musste. Seine Erfindung, eine Wurstbrühmaschine, verkaufte sich zu schlecht. Otto übernahm für ihn den Vertrieb der Maschinen und schaffte es tatsächlich, sie an den Mann zu bringen. Das war der Grundstein für sein Unternehmen. Er weitete seine Produktpalette auf komplette Schlachthofausstattungen aus. Das brachte ihm einen ansehnlichen Wohlstand und vor einigen Jahren konnte er seine Firma an seine Söhne übergeben.



Mein Übernachtungsplatz in Ottos altem Stall

Am Abend kamen, wie vereinbart, Johann und Albert vorbei. Auch Albert's Tochter war dabei.

Sie brachten zwei Flaschen Rotwein und eine Flasche rumänischen Schnaps mit, aber - das Handtuch hatten sie vergessen!


Wiedersehensfreude







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