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  • Jürgen schreibt für Michel

Auf dem Frankenweg

Im Laufe der Woche kam ich durch Gunzenhausen und ein Stück weiter wechselte ich dann auf den Frankenweg. Ein neuer Routenabschnitt beginnt.



Zunächst ging es aber am Montag auf dem Limesweg weiter. Der Weg war, fast schon wie gewohnt, recht unspektakulär, viel auf Asphalt und landschaftlich so - na, ja.

Vaillant und ich kamen aber gut voran und gegen Abend erreichten wir eine Ortschaft namens Unterwurmbach, kurz vor Gunzenhausen.

Ich fragte zwei- bis dreimal bei Passanten an, ob sie mir eine Übernachtungsmöglichkeit wüssten, aber ohne Erfolg.

Da zog Vaillant auf einmal in eine Hofeinfahrt, wo es vor dem Haus eine kleine Wiese, mehr ein Vorgarten, gab. Da wollte er hin, die darauf stehenden Margeriten zogen ihn magisch an.

Es standen auch Leute auf dem Hof. Ich entschuldigte mich natürlich für meinen ungehorsamen Esel, aber die Leute winkten nur ab.

Ermutigt durch ihre Gelassenheit, fragte ich auch hier nach einem Übernachtungsplätzchen. Es entwickelte sich folgender Dialog: "Ja, hier!", sagte der Mann und zeigte auf den Vorgarten. "Ja, aber mein Esel wird Ihnen die ganzen Margeriten wegfressen und auch noch ein bisschen düngen." "Macht ja nix!", war die Antwort. "Aber ich sollte auch noch mein Zelt irgendwie aufbauen können!?" "Brauchst kein Zelt", sagte er und zeigte auf einen alten Wohnwagen. "Kannst da drin pennen!"

Ich nahm das Angebot an. Roland, so hieß der Mann, und ein paar seiner Bekannten leisteten mir den Abend über unterhaltsame und lustige Gesellschafft.

Roland war so ein Sammlertyp und hatte neben vielen anderem Zeugs auch etliche Fahrräder, die er natürlich nicht alle brauchte, aber sie gefielen ihm halt.

Da er bereits oft auf Reisen in fernen Ländern unterwegs war, hatte er auch viel zu erzählen.



Die Nacht im Wohnwagen war angenehm, aber kurz, denn Roland weckte mich bereits um halb sechs mit dem Geruch von frischem, heißem Tee.

Ich stand also auf und der Tee zum Frühstück ließ meine Lebensgeister so richtig erwachen. So war ich auch bereits um halb acht abmarschbereit. Vaillant schaute mich an, als ob er fragen wollte, ob ich sie noch alle hätte - ihn so früh auf die Hufe zu holen, Unverschämtheit! Ich hatte ausnahmsweise keine Gnade mit ihm und siehe da, ruck zuck war Vaillant wieder in seinem gewohnten Trott.

Es scheint so, dass er sich so langsam an die Reisebedingungen und den Rhythmus gewöhnt hat. Auch habe ich das Gefühl, dass Vaillant es genauso spannend findet, jeden Tag was neues zu sehen, immer wieder neue Leute zu treffen und kennenzulernen. Er scheint, die letzten Tage richtig fröhlich zu sein und gute Laune zu haben. Ist halt doch der perfekte Reiseesel! Er hat das Feeling des Reisens schon verinnerlicht.


Es waren noch etwa 3 km bis Gunzenhausen und wir liefen direkt mitten in das Städtchen rein. Man merkte jetzt auch deutlich, dass die Menschen hier von einem anderen Schlag sind. Nicht mehr so verschlossen, wie die Schwaben. Die Menschen hier waren offen, freizügig und sehr aufgeschlossen gegenüber Fremden, selbst einem Vagabunden wie mich.

Nicht, dass ich auf die Schwaben schimpfen wollte. Dass es mir dort auch gut ging, habe ich oft genug erwähnt. Aber hier war es doch nochmal anders, für mich sehr angenehm. Man hatte nie das Gefühl nicht erwünscht zu sein oder die kleine, heile Welt zu stören.


Da war beispielsweise Ingrid, die mich, mit einem Kaffee in der Hand auf einer Bank sitzend, eine Stunde lang vollquatschte (nicht böse gemeint) und mit mir über das Reisen und das Leben als Großes und Ganzes philosophierte.

Oder der Bauarbeiter, der seinen Radlader kurzerhand am Straßenrand anhielt, um mit mir eine Weile zu plaudern.

Oder der Verkäufer im Fotoladen, der auf die Straße lief, als er uns sah, und mit einem großen Hallo die ganze Belegschaft zusammenrief.

Ich fühlte mich hier richtig wohl. Man spürte regelrecht die Begeisterung der Leute.


Aus Gunzenhausen raus, immer noch auf dem Limesweg, kamen wir in den Weiler Dorsbrunn. Es war schon wieder an der Zeit, sich um eine Möglichkeit zur Übernachtung zu kümmern.

Ein paar spielende Kinder vor einem Haus konnten mir nicht richtig weiterhelfen, ihre Eltern waren nicht da. Ich probierte es bei den Nachbarn. Da wäre ich auch aufgenommen worden, doch in diesem Moment kamen die Eltern der besagten Kinder herüber und holten mich zurück! Sie boten mir an, in ihrem Schäferwagen zu übernachten.


Doris und Andreas

Andreas war ein sehr lebenslustiger Mensch. Seine herzliche Umtriebigkeit war ansteckend, man hatte sofort gute Laune in seiner Gesellschaft.

Die beiden sind Hobbyschäfer und kamen gerade vom Tiere versorgen. Den Schäferwagen bekam Andreas zum 40. Geburtstag geschenkt. Er sieht zwar nicht so aus, aber der Wagen war top in Schuss und wäre sofort abfahrbereit gewesen. Heimlich überlegte ich schon, wie ich die Deichsel umbauen müsste, um Vaillant davor zu spannen...


Zum Abendessen kam Doris mit leckerem Gulasch und Brot an. Gefühlt das halbe Dorf kam zusammen, um den merkwürdigen Typen mit dem Esel zu sehen. Mit viel Gelächter und allerlei Geschichten und Erzählungen neigte sich der Tag dem Ende.


Und weil es am Vortag so schön war, stand ich am Mittwoch wieder um halb sechs auf. Das Kaffeekochen hätte ich mir sparen können, denn gegen sieben überraschte Doris mich mit einem fulminanten Frühstück, mit Wurst, Käse, Brot und natürlich heißem Kaffee. Neben der Kaffeekanne lag ein Zettel mit "Viel Glück auf deiner Reise".



Wehmütig verließ ich die beiden. Gerne wäre ich geblieben, doch ich wollte Strecke machen.

Vielen Dank an Doris und Andreas.


Wir kamen durch Ellingen, ein hübsches kleines Städtchen:



Auch an diesem Tag gab es natürlich wieder viele tolle Begegnungen und nette Gespräche, aber verzeiht mir, wenn ich nicht immer alles ausführen kann.


Ein Gewitter zog auf und ich beeilte mich mit Vaillant einen Unterschlupf zu finden. Am letzten Bauernhof wurde mir der Weg zu einer offenen Schutzhütte gewiesen.

Die Wolken verdunkelten sich immer mehr und es begann schon zu tröpfeln, aber ausgerechnet jetzt fing Vaillant an zu zicken. Grund war ein Plastiksack, in dem sich Heu befand, das ich unterwegs noch für Vaillant ergattert habe.

Das Rascheln des Plastiks störte ihn, doch das mittlerweile heftige Brummeln in den Wolken über uns, ließ ihn völlig kalt.

Ich nahm den Sack, ging hinter den Esel und raschelte. Das funktionierte. Vaillant lief. Dennoch schafften wir es nicht mehr rechtzeitig, es fing an zu schütten und bis zum Eintreffen an der Hütte waren wir beide klatschnass.


Ooh, die Hütte war schon belegt!

Vor dem Regen flüchtend, platzte ich in die Hütte und Vaillant trampelnd hinterher. Ich blickte in die erschrockenen Gesichter einer Familie, die hier gerade den 18. Geburtstag ihres Sohnes feierten - und zwar stilecht mit weißer Tischdecke und Champagner!


Nach kurzer Schreckpause prusteten alle los und lachend begrüßten wir uns und stellten uns gegenseitig vor. Ich wurde auf ein Glas Champagner eingeladen und natürlich prosteten wir auf das Geburtstagkind an. Champagner hatte mir eigentlich noch nie geschmeckt, aber dieser hier war außerordentlich gut. Die Marke weiß ich leider nicht mehr, so kann ich hier auch keine Werbung machen.


Ich richtete mich in der Hütte ein, die Familie ließ sich von mir nicht stören. Es war einfach ein schöner, entspannter Umgang miteinander.

Die Sonne kam dann auch wieder durch und es wurde noch ein schöner Abend.

Später bekam ich dann auch noch überraschenderweise Besuch von Leuten, die ich unterwegs kennengelernt hatte. Zuerst die Jagdfreunde von Willi (der, von dem ich das Heu im Plastiksack hatte) und dann Willi selber. Ein kurzweiliger, geselliger Abend war damit wieder garantiert. Müde fiel ich gegen halb zehn in meine Hängematte.



Am Donnerstag war ich dann endlich auf dem Frankenweg. Der Weg war kein Vergleich zum eher langweiligen Limesweg. Es ging überwiegend durch Wälder, oft auf schmalen Pfaden. Landschaftlich sehr viel schöner, dafür aber auch wieder mehr bergauf und bergab.

So stellte ich mir meine Wanderung vor. Inmitten schöner Natur, auf weichem Waldboden und nicht ständig auf hartem Asphalt.

Für Vaillant brauchte ich deshalb auch keine Hufschuhe mehr. Auch ist er inzwischen viel besser in Form, hat an den entsprechenden Stellen Muskulatur aufgebaut (ich übrigens auch). Es fällt ihm jetzt viel leichter auch die steilen Abschnitte zu überwinden. Er schafft es viel besser, sich auszubalancieren, auch mit Gepäck.

Heute rannte er jedenfalls scheinbar mühelos die Hänge rauf. Auch ich habe dazugelernt. Ich lasse ihm jetzt viel mehr Freiraum. Manchmal braucht er einfach ein, zwei Schritte Anlauf um knifflige Stellen zu überwinden. Das überlasse ich ihm jetzt besser selber.




Die Laune war also bestens. Was sicherlich auch daran lag, dass heute morgen schon vor dem Abmarsch der Jägerkumpel von Willi nochmal vorbei kam und mir belegte Weckle brachte.

Beim Zurückgehen auf den Weg, bin ich dann wieder an Willis Hof vorbeigekommen und wurde dort auch nochmal mit Proviant eingedeckt.

Es bleibt für mich einfach unglaublich, wie nett und hilfsbereit die Menschen sind.


Voller Euphorie marschierten wir weiter, die Kilometer verflogen wie nichts. An diesem Tag sind wir satte 17 Kilometer gelaufen. Tagesbestwert!

Leider wurde gegen Nachmittag das Wetter wieder schlechter. Irgendwas ist immer. Es windete schon den ganzen Tag, aber langsam ging der Wind in Sturm über.

Wir erreichten den "Willy Brandt Zeltplatz". Der schien aber verlassen. Ob nun wegen Corona oder für immer erschloss sich mir nicht. Egal.

Ich spannte meine Hängematte zwischen zwei Pfosten unter einem Vordach. Das war aber nicht wirklich windgeschützt. So kuschelte ich mich bereits um acht Uhr in meinem Schlafsack ein und verbrachte so die Nacht.



Der Freitag machte wettertechnisch genauso weiter wie der Donnerstag aufgehört hatte. Nasskalt und stürmisch. Brrr. Wann kommt endlich der Sommer? Musste ich ausgerechnet im nassesten und kältesten Frühjahr der letzten zehn Jahre meine Reise antreten?!?


Den klammen Schlafsack und die nassen Klamotten so einzupacken, ist zwar immer etwas eklig, aber ich wusste ja, dass am Abend Kerstin wieder kommen würde. Im Wohnmobil könnten wir dann alles wieder in Ruhe trocknen und ordentlich einpacken.


Also auf ging's! Weiter nach Thalmässing. Wieder so ein schönes, kleines Städtchen. Aber das Ambiente war mir heute Wurscht. Ab in die nächstbeste Bäckerei und erstmal Kaffee und Frühstück besorgt.

Auch Wasser war schnell organisiert und langsam freute ich mich auch wieder über die netten Schwätzchen, die ich mit allerlei Leuten halten durfte.


Heute würde ich den Rekord von gestern sicher nicht brechen. Ich ging einem Tipp nach, der besagte, dass es auf einem Hügel eine Hütte mit schöner Aussicht gäbe.



Den stürmischen Wind sieht man auf dem Bild leider nicht, aber die Aussicht war schon klasse, stimmt!


Ich kochte mir Kaffee und wickelte mich in meinem Tarp ein, um etwas geschützt zu sein. Ich machte hier eine längere Pause, bevor ich auf meinem weiteren Weg auf Werner in seinem Garten traf.



Ich durfte bei Werner bleiben, also gab ich Kerstin den Standort durch.

Zitternd und bibbernd verbrachte ich den Abend mit Warten auf Kerstin, die dann auch endlich gegen elf Uhr abends ankam.

Rein ins warme Womo, Tür zu, Affe tot!


Werner hat uns noch einen Pferdehof empfohlen. Den steuerten wir Samstag an. Auf dem Hof von José wurden wir wieder mal sehr herzlich empfangen und aufgenommen.

Wir verbrachten das ganze Pfingstwochenende dort und irgendwie hatten wir das Gefühl, wie selbstverständlich dazu zu gehören.

Es war ein ereignisreiches Wochenende mit gemeinsamen Kochen und Essen, vielen tiefsinnigen und intensiven Gesprächen.

Und einer spektakulären Rettungsaktion eines Pferdes, das in einen Bach gestürzt war und dort im Schlamm steckengeblieben ist. Das Pferd hatte vor einiger Zeit einen Schlaganfall, von dem es sich zwar gut erholt hat, aber ein paar Koordinationsschwierigkeiten sind halt geblieben. Das wurde dem armen Pferd zum Verhängnis.

Mit Traktor und Gurten versuchten wir das Pferd herauszuziehen und wieder auf die Beine zu stellen. Nach einigen Fehlversuchen klappte es dann Gott sei Dank auch.

Das Pferd steckte das Erlebnis erstaunlich gut weg, nach ein paar Minuten graste es wieder zufrieden auf der Weide.








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